Jedes Thema landet in der Schule
Will bald niemand mehr eine Schule leiten? Die Aufgaben, sagen Fachleute, sind allein gar nicht mehr zu bewältigen.
- Salzburger Nachrichten
- 24 Apr 2024
- MARIA ZIMMERMANN
Vor allem der Gesprächsbedarf ist größer geworden. Mit Eltern, Schülerinnen und Schülern, Schulpsychologen und Schulsozialarbeitern. Es gibt auch mehr Kinder, die zusätzliche Betreuung brauchen. Etwa weil sie Deutschförderbedarf haben oder – verschärft durch die Coronapandemie – wegen psychischer Probleme. Der bürokratische Aufwand hat zugenommen, Dutzende Listen müssen geführt und aktualisiert werden. Und auch die Digitalisierung ist kein Selbstläufer, sagt Christine Obermayr, Direktorin einer Mittelschule in OÖ. Eferding. So gebe es etwa kein einheitliches EDV-Programm für den Austausch unter allen heimischen Schulen. Ein Manko. „Von Einheitlichkeit ist da keine Spur.“
An ihrer Schule seien auch nur drei Lehrer für eine Handvoll Stunden – „viel zu wenig für den Aufwand“– für die rund 300 Laptops der Schüler zuständig, sagt Obermayr im SN-Gespräch. „Zugleich soll man als Schulleiter Junglehrer ordentlich in den Schulalltag einführen und es gibt ja auch viele Kolleginnen und Kollegen, die noch gar nicht mit dem Studium fertig sind“, sagt sie. Kurz: Die Überfülle an Aufgaben „in all ihrer Buntheit“, wie sie sagt, übersteige oft auch für die Direktion ein gesundes Maß.
Obermayr ist nicht nur Direktorin, sondern auch Obfrau des Vereins pädagogischer Führungskräfte an Volks- und Mittelschulen. Gemeinsam mit den Direktorensprechern aller anderen Schultypen hat man sich jüngst zusammengeschlossen, um genau darauf hinzuweisen, dass die Belastungen für eine Einzelperson „nicht schaffbar“ sind, wie es in der Vorwoche dazu geheißen hatte. Da waren die Direktoren
mit den Bildungssprechern der Parteien zusammengetroffen, um ihr Anliegen zu deponieren. Eines davon: eine fixe Stellvertretung für die Direktorinnen und Direktoren. „Wenn nicht rasch gehandelt wird, mangelt es den Schulen nicht nur an Lehrkräften, sondern auch an Führung – mit fatalen Folgen“, hatte der Vertreter der Berufsbildenden Höheren Schulen, Wolfgang Bodei, gemeint.
Isabella Zins, die die AHS-Direktoren vertritt, kann ein Lied davon singen. „Wir merken schon, dass sich die Arbeit mitunter niemand im Lehrerkollegium mehr zutraut“, sagt sie. „Aber je kleiner die Zahl der Bewerber, umso geringer die Auswahl – und umso schwieriger wird es, Nachfolger zu finden.“ Auch weil große Verantwortung damit verbunden sei, sagt sie. Wobei es aus ihrer Sicht nach wie vor ein „sehr schöner Beruf ist, weil man Impulse setzt für die Karriere von so vielen jungen Menschen“.
Ein Blick ins Ausland zeigt laut Zins, wie es besser funktioniert: In der Schweiz etwa gibt es Korrektoren, die dem Schulleiter Verantwortungsbereiche abnehmen. An den Bundesschulen gebe es immerhin ein Sekretariat und einen Administrator, betont sie. An den Pflichtschulen
gebe es meist nicht einmal das, um den Direktorinnen und Direktoren Verwaltungsaufwand abzunehmen. Auch Zins betont, dass „alle gesellschaftlichen Herausforderungen an den Schulen aufschlagen“. So auch der Umgang mit künstlicher Intelligenz. „Wie könnten wir dazu ein Patentrezept haben, wenn die ganze Welt noch keines hat?“, fragt sie. Auch die Sprachförderung sei ein großes Thema, sagt sie. Obermayr fügt hinzu: „Wir haben auch österreichische Kinder, die nicht in ordentlichen Sätzen sprechen können. Mit den sozialen Medien verroht auch die Sprache. “Für Zins liegt es auf der Hand, dass gerade, was die Sprache angeht, so früh wie möglich angesetzt werden müsse. Und vor allem im Elternhaus. „Wir können nichts bewirken ohne Eltern“, sagt sie. „Vorlesen etwa kann jeder.“ Das koste auch nichts. „Die Sprache, das Vorlesen, das fehlt“– zu diesem Schluss kommt auch Obermayr.
Das „Schulleitungsbarometer Austria 2024“der Johannes-Kepler Universität in Linz hat übrigens erst im Februar ergeben, dass 45 Prozent der Schuldirektoren in Österreich zu wenige Lehrer an ihrer Schule haben, 80 Prozent davon bezeichneten den Mangel sogar als „eklatant“. Besonders ausgeprägt ist dieser Zustand in der Sonderpädagogik,
Große Wirkung, kleiner Preis: Vorlesen
Schule darf nicht Spielball der Politik sein
den Volksschulen, beim Ganztagesunterricht sowie in Fächern wie Chemie, Physik, Musik und Sport. Die Befragung von 2000 Schulleitern – 40 Prozent aller in Österreich – hat auch gezeigt, dass sie ein gehöriges Maß an Überstunden leisten. Entlastung wünschen sie sich vor allem bei Verwaltungstätigkeiten, außerdem fordern sie mehr Stützpersonal und Schulpsychologen. „Wir merken, dass es hier eine Aufstockung gab, aber es reicht einfach immer noch nicht“, sagt Zins. Sie wünscht sich auch mehr Autonomie für die Schulstandorte. „Etwa einen Pool an Ressourcen an Lehrerstunden, wo ich am Standort selbst entscheiden kann, was gerade gebraucht wird“, sagt sie. Was sich alle Direktorinnen und Direktoren wünschen: dass die Schulen aus dem kommenden Wahlkampf herausgehalten werden.
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Publication: Salzburger Nachrichten
Author: MARIA ZIMMERMANN
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